Wine-Times - das unabhängige Online-Weinmagazin
Helmut KNALL06.01.2015

Hört mir auf mit Herkunfts-Bezeichnungen.

Knall geht fort. Trifft einen Bekannten. Und wie fast immer endet das Gespräch in einem kleinen Weinseminar. Diesmal ist es anders. Weil es meinen wunden Punkt trifft. Und ich deshalb den Rest der Nacht tippend vor dem Bildschirm sass. Mit einem sauguten Wein übrigens.

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Foto: Jean-Pierre Ritler

„Oida, du bist do a Wein-Spezialist. Erklär ma des, bitte. Neulich geh i in a Hütt’n und bestell mir a Achtel DAC (er sprach „Datsch“). Fragt mi da Kellner, ob i an vom Leithaberg, vom Kamptal oder vom Kremstal will. Waast eh, i gscheit, sag Oida, a Datsch is ausn Weiviertl. A Greaner hoid, so wia früha da Brünnerstrassler nur besser. Erklärt ma der Pinguin, dass i kaa Ahnung hab. Mir! Heast i hab scho Veltliner gsoffen, wia des no Herrnbaumgartner oder Obersdorfer g’hassen hat. Was soll des. G’scheida, erklär ma des.“

Jössas, denk ich mir. Und Myriaden von Diskussionen und neudeutsch „threads“ schiessen mir durchs Hirn. Und – die Aussage eines Weinbau-Gottsöbersten – „Knalli ich weiss, das DAC nicht das Gelbe vom Ei ist, aber jetzt müssen wir das durchziehen. Und ich hätte dich lieber an meiner Seite, denn als Gegner“.

Ich erinnere mich gut, ich bin damals sofort ins Weinhaus Sittl am Gürtel gefahren, weil da noch diese wunderbare alte Tafel über der Schank hing, wo noch die Vierterl (!) Soosser, Golser, Gumpoldskirchner, Zöbinger, Nussberger etc. drauf standen, gleich neben Malaga, Refosko und Marsala. Ich war zu langsam. Der Schildermacher der Brauerei hat es vor mir entdeckt und dem alten Wirten – gratis - eine neue Tafel geliefert. Zeitgemäss, quasi. Ich könnte weinen, heute noch.

„Oida, kumm auf’n Punkt“ höre ich den Kollegen sagen. Ja eh. Und jetzt geht’s los. Ein Gratis-Wein-Seminar, um ihm das zu erklären, was da so abging, in den Jahren, wo er ja nur seinen Veltliner wollte.

Also - sag ich. Hole tief Luft, bestell mir noch ein Achterl, weil ich aus Erfahrung weiss, das dauert lang, wird mühsam und im Endeffekt ein Rohrkrepierer. So, wie das ganze System. Also, du erinnerst dich an die Herrnbaumgartner und so. Ja, klar. Und der Zöbinger, der war immer schon was besonderes. Ja, stimmt. So, wie der Golser der milde Rote war und der Soosser, der kräftigere. Ja genau. (Liebe Leser verzeiht mir, dass ich jetzt nicht dauernd „auf“ und „zu“ mache, ihr versteht schon...

Also. Wie die ganzen Jungen Weinbauern-Söhne und ein paar –Töchter von ihren Praktika auf der ganzen Welt zurückkamen, war die Weinwirtschaft in Österreich ziemlich am Boden. Daher haben die versucht, mit moderner Kellertechnik und weltweit erfolgreichen Sorten alles umzukrempeln. Machten Keller sauber, modernisierten die Weingärten und waren damit erfolgreich. Also benannte man die Weine nach ihren Rebsorten, weil das sonst weltweit eher unüblich war, ausser in der „Neuen Welt“, wo viele dieser Youngsters praktiziert hatten. Ein Zöbinger war daher plötzlich der Riesling vom Heiligenstein, der Herrnbaumgartner wurde zum Grünen Veltliner Wachtberg und ein paar ganz blitzg’scheite erfanden die „Alten Reben“.

Es entstand die Dreier-Bezeichnung.

Pass auf, das hat mir einmal ein deutscher Importeur erklärt. Österreich – sprach er – ist so herrlich einfach zu erklären. Da gibt’s den Basis-Wein. Da steht die Rebsorte drauf, von wem er ist und wo der daheim ist. Manchmal noch Klassik, wie auch immer geschrieben, Classic oder Classique, wurscht.

Dann gibt’s die gute Mittelklasse, da steht meistens eine Lage drauf. Also Riesling Zöbinger Heiligenstein oder Sauvignon blanc Zieregg oder sowas.

Und dann gibt’s die Experimente. Meistens eh nur ein paar tausend Flascherln, aber das sind die, mit denen die dann Punkte bei Bewerben bekommen. Und die heissen dann Alte Reben, Privat – oder nach der Tochter oder dem Hund. Das ist dann oft völlig konzentriert, im Barrique ausgebaut oder sowas.

Verstehst? So war das in den Neunzigern. Ah, eben, kennst auch du.

Ja aber warum gibt’s jetzt des Datsch?

Also. Warum eigentlich, weiss ich auch nicht so wirklich. Aber es ist bei den Weinbauern so. Wenn was erfolgreich ist, heisst das nicht, dass die das weiter machen. Ich geb zu, das hab ich auch noch nie verstanden. Wennst nämlich heute 1999er Comondor oder Solitaire oder sowas aufmachst, sind die grandios – und kannst neben jeden ausländischen Siegerwein stellen. Heute ist in denselben „Etiketten“ ein hoher Anteil Zweigelt drin und die schmecken völlig anders. Ob die genauso reifen werden, weiss eigentlich niemand. Frag mich das nicht.

Aber begonnen hat die Idee, so eine Art Herkunftsbezeichnung - denn DAC ist ja nix anderes - zu machen, schon in den 1980ern. Im Prinzip waren die Wachauer da Vorreiter, wenn auch anders. Und dann waren so Sachen, wie der Schilcher, den es halt wirklich nur in ganz kleinem Umkreis gibt. Aber denen war das relativ wurscht, weil die haben das eh immer mit dem Schmäh – da musst drei bis vier Glasln trinken, dann verstehst ihn erst – verkauft. Sind ja auch keine Mengen.

Mengen – und Probleme, die auch zu einem vernünftigen Preis zu verkaufen – gab es aber im Weinviertel. Denn die „g’mahte Wies’n“, die Mengen im Doppler oder an Sektfabrikanten zu verkaufen, rechnete sich irgendwann nicht mehr. Das war der Beginn von DAC. Und ich erinnere mich noch gut und die wirklich phantastische Präsentation der 2002er. Da waren wir alle baff. Da war ein Stil erkennbar. Klassische Grüne Veltliner in guter Qualität. Wert dafür – damals – fünf Euro für 0,75l zu verlangen. Da kostete der Doppler aus selbem Keller gerade mal 3,50.

Aber schon das extrem heisse, trockene Jahr 2003 zeigte die Schwächen auf. Da war eigentlich alles in einem Reserve-Bereich, den es aber damals nicht gab. Das dauerte noch endlos, bis der kam.

Aber, mit enormer Werbepower, wurde Weinviertel DAC sogar dem Endverbraucher bekannt. Du, mein Lieber, bist das beste Beispiel. Den kennst sogar du. (Mütterchen allerdings meinte zu der Werbung mit der Pfeffermühle, das sei Schwachsinn, sie wolle doch keinen Pfeffer im Wein).

Dass man dann in anderen Weinbau-Gebieten begann, dem ersten Erfolg der Weinviertler zu folgen, ging in der Öffentlichkeit aber ziemlich unter. Und selbst Stammkunden von Winzern aus dem Kamptal, Kremstal usw. verstehen bis heute nicht, warum am Veltliner und Riesling DAC steht, am herrlichen Weissburgunder vom selben Winzer aber nicht. Und dass die aktuellen Trends zu maischevergorenen Weissweinen, egal wie man sie bezeichnet, raw, orange, oder sonstwie, das Herkunftsdenken sowieso ad absurdum führen, lassen wir mal ganz weg.

Hast mi, bis daher? Ned wirklich? Eh klar.

Egal, mach ma weiter. Oder besser noch einen Schritt zurück. Überleg’ einmal, warum haben damals Ende der 80er viele Weinbauern internationale Sorten, wie Chardonnay, Cabernet Sauvignon und Merlot angebaut? Na ganz einfach, weil sie gesehen haben, dass ein Wein aus Burgund oder Bordeaux ein paar hundert Schilling erzielte. „Des können wir auch, so unterschiedlich sind ja Böden und Klima auch wieder nicht“. Stimmt.

Aber in Burgund gibt es im Prinzip zwei Rebsorten. Chardonnay und Pinot noir. Und in Bordeaux im wesentlichen auch nur zwei, Cabernet und Merlot (ich vernachlässige jetzt bewusst Cabernet franc und Petit Verdot) – und die sind in einer Cuvée. Da kann man leicht Herkunfts-Systeme machen. Und die erste Klassifizierung ging ja nicht wirklich um Herkunft, sondern, wer am meisten Geld verdiente. Mit einem Topwein und später auch einigen wenigen Zweit- und Dritt-Weinen. Ist ja trotzdem immer dasselbe drin. Also von den Sorten mein ich. Hast mi?

In Österreich hat aber fast jeder Weinbauer bis zu zehn Sorten. Und die vielleicht noch unterschiedlich ausgebaut. Das kann man doch nicht vergleichen.

Deswegen ist da der Wurm drin.

Was Österreich nämlich kann – und zwar so ziemlich als einziges Weinland weltweit – ist die Vielfalt. Wir sind der Delikatessenladen der Weinbranche. Weil wir genau in diesem total schmalen Bereich zwischen „cool climate“ und „mediterran“ liegen. Und nur deswegen können wir Top-Weisse genauso wie Spitzen-Rote und unvergleichliche Süssweine. Das geht nirgends anders. Also sollte doch in diesem unserem Mini-Land „Österreich“ als Herkunft völlig reichen. Egal, was du kriegst, es ist eine Delikatesse.

Aber das reicht uns schon wieder nicht. Frag mich nicht warum.

Du weißt, ich war fast zwanzig Jahre in Werbung und Marketing. Und Wein ist doch nix anderes als ein Markenartikel. Gallo ist doch inzwischen eine Marke wie Persil. Und Bründlmayer sowas wie De Ceccho. Also warum muss man es dem Endverbraucher, der bei Spar oder Merkur im Weinregal steht, so unglaublich kompliziert machen? Der kapiert dort ja auch sofort, was ein Brunello oder Bordeaux ist. Aber Erste oder Grosse Lage? Wo bitte ist der Unterschied? Und DAC Leithaberg (auch wenn das eine der besten DACs ist), wer weiss denn schon was da drin sein darf? Das merk ich mir als Profi ja schon nicht mehr. Von unseren deutschen Freunden red ich jetzt einmal gar nicht.

Sorry, wir sind nicht Frankreich. Wir sind nicht Italien. Das kann man nicht vergleichen.

Warum nicht? Wo der Unterschied ist zwischen „Unendlich“ und „Sassicaia“? Jössas, du bist mühsam. Aber ja eigentlich eine gute Frage. Sassi kostet noch viel mehr. Ja, Scherz.

Das ist wirklich nicht so einfach erklärt. Aber ich versuche es. Unendlich ist ein Produkt eines der besten Winzer der Wachau. Aus hier seit Jahrzehnten wachsenden Trauben. Und der gute FX bzw. sein Sohn Lucas Pichler versuchen hier Jahr für Jahr das beste aus den Weingärten zu einem Spitzenwein zu formen. Und es ist oft ein Poker mit den Wetterbedingungen. Das geht eben auch nicht immer.

Sassicaia ist ein vergleichsweise junges Projekt, mit Rebsorten, die in der Maremma nicht heimisch waren. Deswegen gab es ja für den Sassi und ähnliche – später Supertuscans – genannte Weine auch ursprünglich keine Herkunftsbezeichnung, die DOC wurde erst nach dem Erfolg vergeben. Ursprünglich war das ein Vino da Tavola, ein Tafelwein. Wenn auch der teuerste Italiens. Aber man kann darüber diskutieren, ob man nicht so eine „Bordeaux-Cuvée“ auch woanders hätte machen können. Aber okay, herkunftsmässig könnte man beim Unendlich auch diskutieren. Beim Riesling Kellerberg aber sicher nicht, das geht nirgendwo anders.

Ja, hast eh recht, dann wäre doch eigentlich die Wachau das Weinbaugebiet mit der überzeugendsten „Herkunft“ in Österreich. Naja, zumindest waren die alten Herren
Jamek, Hirtzberger, Prager und Schwengler die Vorreiter. Weiter gedacht hatte Erich Salomon, der seinerzeit meinte, man solle doch Krems wie Bordeaux sehen. Der Umkreis wäre vergleichbar, da hätte man die besten Weissweine Österreichs im Umkreis von 30-40km (die Südsteiermark jetzt mal ausgenommen). Ähnlich ginge das mit Rot- und Süsswein rund um den Neusiedlersee. So falsch gedacht war das nicht.

Wohin die Zerstückelung der Regionen führt, kann man wunderbar in Sizilien sehen. Ich gebe zu, ich bin jetzt zu faul, um nachzusehen, wieviele DOCs und DOCGs es auf der Insel gibt. Es sind jedenfalls zu viele. Nach vielen Jahren, wo sich dort jede kleinste Region um eine DOC gematcht hatte – es gibt welche, mit sage und schreibe acht (!) Produzenten – kam man drauf, dass das niemand kapiert. Schon gar nicht im Export. Heute schreiben die namhaftesten Weingüter Siziliens die einfache Version aufs Etikett, selbst, wenn sie in einer DOCG liegen: „Sicilia IGT“.

Ha, du wirst müde. Eben.

Ich bin schon lange müde, den Weinbauern und ihren Funktionären zu erklären, dass das System niemand kapiert. Und – dass im Prinzip die Herrnbaumgartner, Nussberger, der Heurige und der Alte, damals viel einfacher und logischer waren. Das „Dreier-System“ des deutschen Händlers auch. Also muss ich dir recht geben, alter Freund, aber ich geb dir einen Tipp. Frag den Kellner einfach nach einem guten reschen Veltliner, denn das ist, was du gern trinkst. Prost.

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