"Du hast mir mein Orange verpatzt, ..."
Von Gast-Autor Jürgen Schmücking.
Es ist irgendwie vertrackt. Wer Position für "orange wines" bezieht, muss sich oft anhören, ein Freak zu sein, der sich nicht auskennt und zu viel Geld für schlechte Weine bezahlt. Wer dagegen ist, hört oft, dass er „noch nicht so weit sei...“
Kritiker lassen Kritik an der Kritik nicht gelten und verweisen oft auf "das Missionarische". Die Diskussion um orange wines gleicht einem kommunikativen Patt.
Zweites Orange Wine Festival in Wien. Museumsquartier, Ovalhalle. Die Location zum Bersten voll, die Stimmung gelöst. Es wird angeregt diskutiert. Gekostet. Fest gelacht und fleissig geschrieben. Die Winzer erzählen ihre Geschichten. Beziehen Stellung. Allerdings ist es nicht die Missionarsstellung. So lautet ja üblicherweise der grösste Kritikpunkt an der orange/natural/authentic/no so/Amphoren-Bewegung. Davon ist nichts zu spüren. Nicht einmal im Ansatz.
Das Argument "Ich will mich nicht missionieren lassen", lässt sich recht einfach entkräften. Das "Missionarische" in der Szene gibt es einfach nicht. Ich wüsste nicht wo und bei wem.
Tüfteln, spielen, ausprobieren...
Bleiben wir der Einfachheit halber im eigenen Land. Wir haben in Österreich zwei Gruppen von Winzern, die sich mit orange wines auseinandersetzen. Zum Einen jene, die es gern ganz genau wissen wollen und experimentieren. Tüftler aus Leidenschaft, die bei einem oder einigen ihrer Weine Sachen machen. Den Schwefel zurückfahren bis aufs Minimum, grosse Tonvasen aus Georgien bestellen oder einfach mit der Maische-Standzeit spielen. Manchmal geht das in die Hose, manchmal kommen ganz grandiose Weine dabei heraus.
Niki Mosers Minimal zum Beispiel. Für mich ein Paradebeispiel dafür, dass auch Weine fast ohne Schwefel gross sein und eine grosse Zukunft haben können. Oder die Magna Maters von Birgit Braunstein. Das sind ganz grossartige und langlebige Weine. Der Chardonnay genau wie der Blaufränkisch.
Das sind Betriebe, die mit dem (überwältigend grossen) anderen Teil ihres Sortiments zur Speerspitze der österreichischen Weinwirtschaft gehören.
Genau wie Claus Preisinger, Werner Michlits, Fred Loimer oder die Domäne Wachau. Die Domäne Wachau hat vergangenes Jahr ein paar Flaschen Amphorenriesling 2010 abgefüllt. Die Amphoren – sie lagerten im Kellergang zwischen Vinothek und Schlössl – waren dabei so klein, dass man eher an grössere Blumenvasen dachte, als an Behältnisse zur Lagerung von Wein.
Um auf den Vorwurf des Apodiktischen zurückzukommen. Ist nicht. Jeder einzelne dieser Winzer präsentiert seinen Ausnahme-Wein (teilweise mit Freude und Stolz), sind sich gleichzeitig des Nischen-Daseins desselben aber sehr bewusst. Und zeigen mit gleichem Enthusiasmus die anderen Weine ihrer Kollektion.
Dann gibt es noch die Betriebe, die so fest überzeugt sind, dass sie es so und nicht (mehr) anders machen. Es ist genau wie bei der ersten Gruppe. Manchmal kommt einfach nichts dabei raus und manchmal sind die Weine von einer Grösse, die atemberaubend ist.
Minimal. Magna Mater. Himmel auf Erden.
Nur ein paar Beispiele: der "Himmel auf Erden II" von Christian Tschida ist zwar noch recht jung und weit noch nicht da, wo einmal stehen wird, aber was der Wein jetzt im Moment zeigt, ist bereits grosses Kino. Jetzt heisst es nur noch warten, bis die Zeit reif für die Vorstellung ist.
Oder Andreas Tscheppe von der steirischen Gruppe "Schmecke das Leben". Am orange wine festival hat er zwei Weine präsentiert. Einer besser als der andere. Erdfass 2011, der "Hirschkäfer", ist ein rustikal-erdiger Sauvignon, der an Schmelz und Tiefe kaum zu übertreffen ist. Genau wie der Muskateller mit dem Schmetterling am Etikett, bei dem die filigranen Muskateller-Noten bestenfalls als Begleitmusik für kraftvolle Mineralik zu spüren sind.
Und über die vom Silikat geprägten Rotweine eines Karl Schnabel ist in letzter Zeit ohnehin schon genug gesagt und geschrieben worden.
Es sind drei Weinbauern, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Was sie allerdings gemeinsam haben, ist eine innere Ruhe, die darauf schliessen lässt, dass die drei mit sich und ihren Weinen im Reinen sind. Natürlich stehen die Männer zu ihren Weinen und zu der Art, wie sie sie machen. Aber irgendjemanden missionieren? Eher im Gegenteil. Letztlich strahlen sie eine Art Urvertrauen aus. Wer die Weine mag, wird sie finden. Wer die Weine nicht mag, findet andere.
Grossartig oder untrinkbar. Gibt's doch überall.
Kommen wir zu einem anderen Punkt. Das Argument, dass es bei orange wines auch viel schlechtes Zeug gibt und dass fehlerhafte Weine als besonders natural auf den Markt geworfen werden, lasse ich nicht gelten.
Es stimmt zwar, ist als Argument aber unbrauchbar, weil es beim Rest der Weine am Markt nicht viel anders ist. Die selbe Leier habe ich schon am Beginn der Biowein-Entwicklung gehört, und auch dort war das Argument dürftig. Kein Mensch käme auf die Idee, Weinviertel DAC aus dem Grund als Fehlentwicklung zu bezeichnen, weil es miserable Weinviertel DAC-Weine gibt (und davon gibt es wahrlich mehr als genug). Die Szene bietet also Sommeliers, Journalisten, Bloggern, Händlern und anderen Wichtigen der Branche Gelegenheit, ihrer originären Aufgabe nachzugehen: die Perlen zu suchen. Und davon gibt es reichlich.
Orange auf den Karten der besten Restaurants. Weltweit.
Tatsache ist jedenfalls, dass die Weine auf den Karten der besten und interessantesten Restaurants auftauchen. Schauen Sie sich einmal die Weinkarten im Le Loft, bei Konstantin Filippou, beim Meixner in Wien, im Taubenkobel oder in Brandtners Mithridat in Salzburg an. Natural wines soweit das Auge reicht. Dabei ist das ist eine Entwicklung, die mit leichter Verzögerung nach Österreich kommt. Die bekannteren Protagonisten der heimischen orange wine community finden wir schon länger auf den Karten von noma, a|o|c, Geranium & Co und zwar ganz einfach deshalb, weil diese Weine vor allem als Speisenbegleiter zu ihrer Hochform auflaufen.
Aber auch da wieder – NISCHE! Manche dieser Restaurants haben beeindruckend viele orange wines auf der Karte. Keines davon ausschließlich. Beim Meixner gibt sogar eine eigene Karte – in einer orangen Mappe. Quasi sichtbare Koexistenz. Daneben gibt es immer noch die Wachauer Smaragde, die Supertuscans, die Grossen Gewächse und die reifen Burgunder. Alles da. Was ich damit sagen will: die orange wines nehmen niemanden etwas weg. Im Gegenteil. Wirte und Sommeliers agieren ganz im Sinne von Heinz von Foersters ethischem Imperativ: "Handle stets so, daß die Anzahl der Wahlmöglichkeiten vergrößert wird." Daran sollten sich auch die Kritiker orientieren.
Die massive Ablehnung ist mir sowieso schleierhaft. Vielleicht ist die Abwehrhaltung vieler – meist altgedienter -Journalisten ja auch nur eine Trotzreaktion darauf, dass sich eine neue – junge – Generation von Sommeliers und Einkäufern einfach nicht mehr darum schert, was sie sagen oder schreiben.
Alles halb so wild.
Dabei ist alles halb so wild. Orange wines wird es weiterhin geben. In nächster Zeit werden mehr auf den Zug aufspringen, mittelfristig wieder einige damit aufhören. Es wird ein paar grandiose Weine geben (und auf die Suche nach diesen freue ich mich), und es wird miserable geben. Da habe ich aber tiefes Vertrauen in die "unsichtbare Hand" der freien Marktwirtschaft. Es geht um Vielfalt und Vielfalt ist gut! Und wer glaubt, dass der Trend ein kurzfristiger ist, irrt gewaltig.
Text und alle Fotos von Jürgen Schmücking.
www.biogenussmarketing.at (broken link)
www.genuss.cc (broken link)
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