Wine-Times - das unabhängige Online-Weinmagazin
Helmut KNALL28.04.2013

Wie die Arktis kocht und braut.

Pia Alexandra Bauer berichtet für uns aus dem hohen Norden.

Stockfisch, Rentier, Königskrabbe – drei Grundnahrungsmittel auf einer Postschiff-Reise entlang der norwegischen Küste. Dazu gibt’s Aquavit und Bier aus lokalen Brauereien, auf Wunsch auch Weine aus einiger Herren Länder. Unsere Gastautorin Pia A. Bauer hat es nicht bereut.

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Das Polarlicht "Aurora Borealis" schafft eine faszinierende Stimmung am Schiff.

Zum Erlebnis wird eine Nordkap-Fahrt mit einem der derzeit 13 Hurtigruten-Schiffe unter mehreren Aspekten: Großartige Landschaften und ungewöhnliche Naturphänomene erfreuen Augen und Seele, während der Schiffskoch und seine Crew Gaumen und Mägen der Passagiere mit Kap-Kulinarik verwöhnen.

Denn die Norweger wissen zu schmausen – und lassen ihre Gäste daran in wohltuendstem Umfang teilhaben. 12 Tage dauert eine Reise entlang der 2.465 km langen Küstenstrecke ab Bergen, 34 Häfen werden dabei angelaufen. Zwischen November und April steht das Polarlicht "Aurora Borealis" im Zentrum des Interesses der Arktis-Fans, ab Juni wird der Mittsommer-Zauber rund um die Uhr genossen. Auch wer eine kürzere Tour wählt, etwa ab Tromsø, kommt voll auf seine Kosten – sowohl, was die Natur als auch die Gaumenfreuden angeht.

Reinheit, Eigenart und Variation prägen die opulenten Frühstücksbuffets ebenso wie die delikaten Abendmenüs an Bord. In Bergen, als Hafen- und Handelsstadt mit mehr als 1.000jähriger Geschichte, begannen sich durch den Austausch von Frachtgut bereits früh skandinavische Nahrungsmittel mit anderen europäischen, aber auch afrikanischen oder australischen Speisezutaten – vor allem Gewürzen – zu vermischen. So entstand eine auf eigenen Produkten basierende, durch teilweise exotische Beigaben angereicherte, sehr schmackhafte und gesunde Küche.

Wichtigstes Gut und Lebenselixier der Norweger dabei war und ist der Stockfisch (Skrei). Kaum ein Land, in dem er nicht bekannt und geliebt ist: Als Kabeljau, Dorsch (deutschsprachiger Raum), Cod (englischsprachiger Raum), Morue (Frankreich), Bacalhau (Portugal, Spanien), Tork (Russland) oder Himono in Japan.

Bereits die Wikinger wussten ihn zu konservieren – mit Salz. Bedeckt damit, wird dem Fisch alle Flüssigkeit entzogen und er wird nahezu unbegrenzt haltbar gemacht. Weicht man ihn wieder auf – was bis zu einer Woche dauern kann – schmeckt der Stockfisch wie frisch. Aber auch getrocknet lässt er sich knabbern. Noch heute werden die Tiere zum Teil auf großen Gestellen im Freien, unter Einfluss von Wind und Sonne, getrocknet und so für den Export in alle Welt vorbereitet.

Reisen mit Speisen.

Das Besondere an der Speisekarte an Bord von Hurtigruten Postschiffen ist, dass jedes Menü speziell nach Gegend und Tradition zusammengestellt wird. Allabendlich wird so mit kulinarischen Mitteln eine Geschichte „zum Kosten“ erzählt. Neben frischen Fischen und Meeresfrüchten spielen lokale Gemüse wie Grünerbsen, Blumenkohl und Kartoffel dabei ebenso eine wichtige Rolle wie Rentierfleisch und die köstlichen Beerenvariationen. Beerenfrüchte erreichen in Norwegen, bedingt durch die gut zweimonatige ununterbrochene Sonneneinstrahlung während Midsommer, eine nahezu himmlische Süße und sind daher unverzichtbare Zutaten bei allen Kuchen und Desserts.

Rentier findet sich in Aquavit marinierter Obersschale, aber auch geschmort, gegrillt oder als Röllchen befüllt und in Aspik. (Wem der herbe, durchaus gewöhnungsbedürftige Geschmack dieses Wildes zu intensiv ist, hat natürlich auch die Auswahl zwischen Rind, Schwein und Fleischlosem.)

 

Die Kamtschatka Königskrabbe.

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Die Königs-Krabbe.

Richtig royal wird das Speisen an Bord aber erst mit der Kamtschatka Königskrabbe. Diese urzeitlich anmutenden Krebstiere erreichen eine Beinspannweite von bis zu 1,80 Meter und ihr Fleisch schmeckt tatsächlich königlich. Kochweltmeister Bent Stiansen wird zugeschrieben, dass er 2007 beim Bocuse d'Or gerufen haben soll: "Die Königskrabbe schmeckt besser als der Hummer! Das Beste aus Russland – seit eh und je!“

In der nur sechswöchigen offiziellen Fangzeit werden allein im russischen Sektor heute rund 4 Millionen Königskrabben in den Polarwässern gefangen. Dabei werden Weibchen und Jungtiere aussortiert und zurück ins Meer geworfen. Dennoch bleibt ein Umsatz von rund 65 Mio. Euro, der mit den Tieren gemacht wird.

Auf den Tafeln an Bord der Postschiffe werden sie immer wieder in delikaten, abwechslungsreichen Variationen gereicht – und schmecken bereits zum Frühstück gar köstlich. Lebend betrachtet können sie bei einer der Abend-Vorführungen werden, wenn ein lokaler Krabbenfischer einen Korb voll lebendiger Tiere an Bord des Postschiffes bringt. Aus ihrem natürlichen Umfeld gerissen, verharren sie bewegungslos und lassen sich sogar von Menschenhänden hochheben. Danach befördert der Fischer sie zurück ins Meer.

Gelingt (wetterbedingt) eines der Tagesprogramme, die Hurtigruten für Ausflüge anbietet – nämlich eine Motorschlittenfahrt über zugefrorene Fjorde, mit Krabben-Fischen im Eisloch – wird der Schiffspassagier selbst zum Jäger. Und findet seine Beute am Abend in einem Sami-Zelt von Einheimischen zubereitet vor sich auf dem Tisch.

Kulinarischer Höhepunkt der Reise ist auf jeder Strecke das "Nordkap-Buffet“. Basierend auf den besten nordnorwegischen Zutaten der Saison, kann von allem gekostet werden, was das Meer hier zu bieten hat: Von Eismeer-Saibling über Fjordlachs, Schell- und Klippfisch über Garnelen, Shrimps, zahlreiche Krebsenarten, Muscheln und natürlich Stockfisch und Königskrabbe wird alles in opulentem Maß und zahlreichen Zubereitungs-Variationen geboten. Pro Rundreise werden an Bord rund 1.500 kg Fisch verarbeitet, dazu 1.500 kg Fleisch und rund 6.000 kg Gemüse und Früchte.

 

Fisch muss schwimmen, Rentier auch.

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Stockfisch bei der Trocknung.

Traditioneller Begleiter zu jedem Essen in Norwegen ist Bier. In Tromsø findet sich die nördlichste Brauerei der Welt - Mack. Gegründet 1877 von Ludwig Markus Mack, wuchs das Unternehmen zu einem der größten Wirtschaftsfaktoren der Region heran. Macks Vorfahren waren bereits geübte Bierbrauer aus Braunschweig gewesen und so brachte der rührige Braumeister bald ausgezeichnete Pils- und Lagersorten hervor, die von den Tromsøern und rasch auch im Umland gerne getrunken wurden. Heute besteht das Unternehmen in 5. Generation, produziert 16 Biersorten sowie eine breite Palette an Bio- Fruchtsäften und Marmeladen und baute dafür gerade eine riesige brandneue Produktionstätte.

Während des Mahles - aber auch danach - genossen wird natürlich jede Menge Aquavit. Die Geschichte dieses hochgeistigen Traditionsgetränkes begann im Jahr 1531. Der Vorsteher der Festung Bergenhus ließ Alkohol, versetzt mit Kräutern, zum Erzbischof Olav Engelbregtsson auf dem Steinvikskolmen bringen. Dieser bezeichnete den starken Alkohol als "Aquavitae“, also Lebenswasser, was eine durchaus nachhaltige Bedeutung für die künftigen Trinkgewohnheiten der Norweger bekommen sollte. Allerdings benötigte das Getränk noch weitere Zusätze, um genießbar zu werden. Viele heimische aber auch exotische Kräuter haben im Lauf der Jahre dazu beigetragen, jene Aquavit-Sorten zu kreieren, die heute noch so gerne getrunken werden.

 

Geheime Rezepturen.

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Faszinierende Küsten.

Der Unterschied zwischen norwegischem und anderen nordischen und deutschen Aquavits entsteht durch die Reifezeit in alten Sherry-Fässern.

Der Prozess der Herstellung ist dem des Whiskys aus Schottland sehr ähnlich und vor allem ein Markenzeichen der Firma Arcus in Oslo. Denn dort begann alles mit dem Import von 500 Sherry-Fässern, die zuvor zur Sherry-Produktion in Südspanien verwendet worden waren. Diese Fässer verleihen dem norwegischen Aquavit die goldene Farbe, während ein Hauch von sonnengelbem Sherry und Vanillearomen aus den Fässern den Aquavit abrunden und ihm seine Finesse geben.

Die Rezepturen sind im Detail streng geheim. Je nach Herstellung werden neben Anis und Kümmel unterschiedliche Kräuter wie z.B. Dille oder Koriander beigegeben, auch Aroma von Kirschen, Zitrusfrüchten oder Lakritze ist zuweilen erkennbar. Die Kombination der bis zu 150 Monaten dauernden Lagerung in alten und neuen Fässern zeitigt schließlich jene Unterschiede, die den Aquavit-Genuss zum unverwechselbaren Vergnügen machen.

 

Geschaukelt, nicht geschüttelt

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Hurtigruten Routenkarte Bergen - Kirkenes.

Im Jahre 1807 kehrte das Schiff "Trondheims Prøve" – Eigentum der Familie Lysholm – von den Ostindischen Inseln nach Norwegen zurück. An Deck befand sich norwegischer Aquavit, dessen Verkauf fehlgeschlagen war. Als die Fässer geöffnet wurden, stellte man aber fest, dass die lange Reise einen sehr positiven Einfluss auf den Geschmack der Aquavite gehabt hatte. Diese Erfahrung wurde prompt von mehreren Brauereien übernommen, die ihre eigenen Aquavite zu erzeugen begannen.

Heute gibt es noch zwei Firmen davon - Løiten und Lysholm Linie - und beide stellen ihren Aquavit nach dem alten "Schaukel-Rezept“ aus dem 19. Jahrhundert her: Als Teil des Reifungsprozesses werden die Fässer immer noch von Norwegen nach Australien und zurück transportiert.
Details zu Aquavits von Arcus: www.linie.com/

Weingenuss in Norwegen.

Die Nachfahren der Wikinger sind also durchaus Feinspitze und große Könner in der Herstellung von Spirituosen - nur mit der Weinproduktion klappt es nicht so richtig. Zwar wird im südlichsten Teil Norwegens mittlerweile versucht, eigenen Weinbau zu betreiben, getrunken wird aber allenorts lieber hochwertige Importware. Die großzügige Weinkarte an Bord der MS Trollfjord bietet über 30 ausgezeichnete Tropfen aus Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Australien an - aber auch aus Österreich und Deutschland sind Weine höchst beliebt.

Direkt am Nordkap, in Honnigsvåg, gab es zu Beginn der 90er Jahre sogar einen „Club der Weintrinker“, der aber mittlerweile angesichts der Internet-Bestellmöglichkeiten seine Notwendigkeit als solches verloren hat. Sogar an 71°N war und ist das Interesse an guten Weinen also vorhanden und gemeinsamer Genuss mag vielleicht die unendlich langen dunklen Monate jenseits des Polarkreises unterhaltsamer gestalten.

 

"Rudolfs Revenge“ im Schnee-Hotel.

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Keine Sorge, Eisberge gehören, des Golfstromes wegen, hier nicht zum Alltag.

Eine spektakuläre Zwischen-Destination während eines Hurtigruten-Trips ist eine Nächtigung im Schneehotel in Kirkenes. Seit 2006 alljährlich in wochenlanger mühsamer Arbeit neu erbaut, zählt dieser "Riesen-Iglu“ mittlerweile zu den speziellsten Ausflugzielen im hohen Norden.

Chinesische Künstler erschaffen aus den Eisblocks immer wieder neue, kunstvollste Bild- oder vielmehr Eishauereien. 20 luxuriös ausgestattete Eis-Schlafzimmer sowie eine beeindruckende Eisbar stehen zur Verfügung.

Der special-drink für die heurige Saison nennt sich „Rudolfs Revenge“ und besteht aus Crowberries (Bärentraube, wächst nur in Lappland und Sami-Land, ähnelt der Preiselbeere), arktischen Beeren und Vodka – selbstverständlich serviert im Eis-Glas.

Wer auf der Reise bis Kirkenes noch nicht genug Rentierfleisch gegessen hat, kann sich beim Abendmenü nochmals ausgiebig daran delektieren: Das Speisenangebot im Schneehotel reicht von Suppe mit Muscheln und geräuchertem Rentierkäse über zartes Rentier-Filet vom offenen Feuer bis zu Rentier-Würsten (selbst zu grillen). Die Kamtschatka Köngiskrabbe sowie Klipp- und Stockfisch oder Lachs in traditionellen Variationen stehen natürlich ebenfalls zur Auswahl.

In Begleitung von "Rudolfs Revenge“ oder dem einen oder anderen delikaten Aquavit ist den Gästen im Schneehotel übrigens noch nie kalt geworden. www.kirkenessnowhotel.com

Reise-Informationen:

Hurtigruten feiert heuer sein 120jähriges Bestehen und bietet das ganze Jahr hindurch attraktive Reise-Specials an. Land-Programme oder, falls nötig, Nächtigungen bei An- und Abreise können ebenfalls gleich hier gebucht werden: www.hurtigruten.de

Schiffs-Ausstattung - Freizeit-Aktivitäten:

Jedes der derzeit 12 Hurtigruten Postschiffe verfügt neben sehr gut ausgestatteten Einzel- und Doppelkabinen über Saunabereiche und dazu Outdoor-Jacuzzis am obersten Deck. Weiters gibt es Cafeterias, einen Kinosaal sowie direkt am Bug gemütliche und großzügige Aussichts-Loungen.

Das Abendprogramm kann in der Bord-Bar bei angenehmer Live-Musik ausklingen. Außerdem gibt es ständig wechselnde Vorführungen wie Konzerte, Vorträge über Stockfisch-Geschichte, Krabben-Zirkus oder Filme über norwegische Geschichte sowie die Sami und ihre Welt.

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