Wine-Times - das unabhängige Online-Weinmagazin
Helmut KNALL25.01.2011

Plopp, Krrrrck oder Klick?

Reden wir doch endlich wieder über Wein und nicht über den Verschluss!

Immer noch gehen die Emotionen hoch, wenn es um den Verschluss von Weinflaschen geht. Allerdings auch mit den unsinnigsten Argumenten.

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Junge Korkeichen, zum zweiten Mal geschält.

Gerade wieder ist das Thema Wein-Verschluss mehr als präsent. Auf allen möglichen Websites und Blogs weltweit. Allerdings wurde - glaube ich zumindest - noch nie ein Thema so emotionell und fern jeder Realität diskutiert. Von absolut "Null-Problem" bis über 40 Prozent ist die Rede.

Von Stinkern, Schleichern und Atmung durch die Korken kann man lesen. Und wieder einmal seien die bösen Amis an allem Schuld. Selbst auf Blogs so seriöser Zeitungen, wie „Zeit“ oder „Welt“ wird haarsträubender Unsinn veröffentlicht. Und noch viel idiotischer kommentiert. (und ich denke bei mir, dass diese Leute die Printausgabe wohl noch nie gelesen haben…).

Und zwar derselbe Unsinn, wie schon Anfang der 90er Jahre, als es die ersten hitzigen Diskussionen bei der London Wine Trade Fair gab.

Nun, wir hier in Österreich – und inzwischen auch viele Kollegen im deutschsprachigen Ausland – wundern uns ja inzwischen über diese Diskussionen. Weil wir dachten, bei uns sei das Thema eigentlich (fast) durch. Auch in Übersee, Australien, Neuseeland, in den USA, ja selbst in Grossbritannien findet man selbst auf absoluten Top-Weinen mehrheitlich Schraubverschlüsse. Und trotzdem hört man plötzlich wieder dieselben unsinnigen Argumente.

Ich war allerdings gerade mal wieder in Italien. Und hier ist die Diskussion gerade erst am Beginn. Was hier noch für ein Unwissen herrscht, ist eigentlich unglaublich. Da versaut sich ein Winzer, der von seinem Topwein gerade einmal 2.000 Flaschen produziert mehr als die Hälfte der Flaschen, weil er schlechte Compound-Stöpsel wählt. Und: Wann immer hier über Wein diskutiert wird steht immer seltener der Wein selbst zur Diskussion, sondern der Verschluss. Das ist eigentlich traurig.

Einem wie mir, der seit Jahren die Alternativen aufzeigt, geht das bereits ziemlich auf die Nerven. Denn ich will ja schliesslich nichts anderes, als den Wein so ins Glas bekommen, wie der Winzer ihn gedacht hat. Und mir ist eine einzige Flasche, die vielleicht noch viel Geld gekostet hat, schon zu viel, wenn sie nicht in Ordnung ist.

 

Immer wieder dieselben Argumente, die nicht richtiger werden, wenn man sie wiederholt:

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Vinolok-Glasstöpsel. (Foto: Weingut Stadt Krems.)

"Der Wein muss atmen". Unsinn!

Ein guter Kork ist dicht, die besten Weine haben auch nach Jahrzehnten hohen Füllstand. Die Luft in der Flasche reicht zur Entwicklung. Würde ein Kork „atmen“, würde der Wein in der Flasche oxidieren. Und Weine, die aus alten Schiff-Wracks heraufgetaucht wurden, waren nahezu immer perfekt. Also atmete der Wein auch durchs Wasser? – Na eben.

Aber es gibt immer weniger gute Korken, auch wenn man bereits bis zu einem Euro pro Stück zahlt.

"Ich liebe das Plopp, das Ziehen des Korkens ist Tradition".

Aber wo. Die Tradition ist im Kopf. Sonst nirgends. Und sie hören ja auch nicht mehr Musik aus dem Trichter. Oder fahren Sie noch mit Pferdekutschen? Kochen Sie am Holzofen?

Kork als Verschluss gibt es noch gar nicht so lang. Bis in die späten 1980er Jahre wurde der grösste Teil der Welt-Wein-Produktion nicht in Flaschen gefüllt, sondern im Gebinde verkauft. Im Fass, im Glasballon, im Doppler.

Heute aber füllt jeder kleinste Produzent im hintersten Spanien, Italien oder sonstwo selbst. Nicht umsonst werden uns bei Besuchen immer ganz stolz die Abfüllanlagen präsentiert.

 

Das Problem liegt ganz woanders.

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Ein typischer Stelvin-Drehverschluss.

"Wird auf Alternativen umgestellt, zerstört man die natürliche Flora und Fauna in den Kork-Anbaugebieten".

Der grösste Unfug. Seit Jahrzehnten steigt die Nachfrage nach Kork. Deswegen wird immer heftiger gedüngt, statt nach neun Jahren wird schon nach sieben Jahren geschält. Die Nachfrage wird schon aufgrund diversester anderer Einsatzmöglichkeiten, von Isolierung bis Fussböden oder Sohlen für Damenschuhe, nicht so rasch sinken.

Es gibt heute kaum mehr Kork-Eichen als vor 50 Jahren. Eher weniger, weil viele durch Waldbrände, Überdüngung und Total-Unkraut-Vernichter ruiniert wurden.

Nur kurz zur Information:

Eine Korkeiche kann man das erste Mal nach 30 (!) Jahren schälen.

Für wirklich gute Qualitäten dann wieder alle 9 Jahre. Und diese Biester wachsen nicht überall, man kann also auf steigende Nachfrage nicht reagieren – oder eben nur mit einer Verzögerung von 30 Jahren.

Was wurde also getan? Man hat gedüngt. Viel zu viel. Man hat früher geschält. Viel zu früh. Die Qualität wurde daher – logischerweise immer schlechter. Und – man braucht Wasser. Viel Wasser. Um die Korken nach der Schälung und Bleichung wieder sauber zu kriegen. Genau dort, wo Korkeichen wachsen, ist Wasser meist rar. Ich habe Kork-Produzenten besucht. Wenn man diese stinkenden, dunkelbraunen Brühen sieht, in denen Kork „gewaschen“ wird, will man das Zeug sowieso niemals mehr in Kontakt mit seinem Lieblingswein wissen.

Aber Tatsache ist: die Nachfrage nach Korken ist in den letzten 30 Jahren um tausende Prozent gestiegen, die Produktion kann man nicht in diesem Mass steigern. Punkt.

Zurück zu den Emotionen.

Ein guter Sommelier macht die Flasche sowieso nicht am Tisch auf, sondern nebenan am kleinen Tischchen, weil er nicht riskiert, dass ihm das Ding vor den Augen des Kunden abbricht – und - wenn es ploppt, ist er ein schlechter Sommelier.

Das Riechen am Kork sagt gar nichts aus, da bemerkt man bestenfalls die allerschlimmsten Stinker. Die gemeinen Korkfehler sind ja die, die man nicht riecht, der Wein aber einfach nicht schmeckt.

Und beim Candle-Light-Dinner daheim, mit der Liebsten, für das ich den halben Naschmarkt leer gekauft habe, Stunden in der Küche verbracht habe, damit alles perfekt ist, möchte ich mich weder mit einem bröselnden, noch mit einem stinkenden Kork blamieren. Ich will nicht wieder in den Keller rennen, die Gläser noch einmal ausspülen, denn inzwischen ist das Essen kalt oder verbrannt - und die Liebste wohl kaum mehr in Stimmung.

Noch etwas: Bei welchem anderen Produkt akzeptieren Sie 5-10% Fehlerquoten? Wohl bei keinem. Warum dann beim Wein?

"Wir haben so gut wie keine Reklamationen", antworten Winzer fast schon stereotyp auf die Frage nach einem Prozentsatz. Das ist logisch, weil sich fast niemand die Arbeit antut, die Flasche aufzuheben, beim nächsten Besuch beim Winzer mitzunehmen und dann zu diskutieren. Und im Handel geht das sowieso meist gar nicht, also lässt man es.
Ganz abgesehen von den Vertriebswegen über die Wein abgesetzt wird. Wenn ich einen gereiften Bordeaux aufmache, bei wem soll ich denn nach 20-30 Jahren reklamieren, den Händler gibt es vielleicht gar nicht mehr. Selbst bei Weinen, die ich heuer im "Super-Hyper-Markt" mit dem tollen Weinregal gekauft habe. Da einen Verkäufer zu finden, der mir die Reklamation abnimmt... Sorry, da kostet mich meine Zeit zu viel.

"Ich habe kaum Korkschmecker". Ja auch das höre ich oft. Natürlich ist nicht jeder so sensibel und merkt jeden Korkfehler. Aber wie oft haben Sie schon gedacht: "naja, so gut, wie alle tun, schmeckt mir der Wein aber nicht". Eben.

Natürlich merken Verkoster, die jedes Jahr die Weine der meisten Weingüter testen, einen Fehler eher, als ein Gast im Restaurant. Trotzdem ist es eigentlich traurig, wenn sich ein Winzer das ganze Jahr bemüht, einen perfekten Wein zu erzeugen, der dann im Glas einfach nicht so schmeckt, wie es sein sollte. Und die höchste Rate haben inzwischen nicht die typischen "Stinker", sondern die sogenannten "Schleicher", das sind Beeinträchtigungen, die selbst bei Profis oft nicht bemerkt werden, weil sie den Wein nur etwas flacher und vielleicht ein wenig bitter erscheinen lassen.

 

Also doch Alternativen?

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Iberico-Schweine unter Korkeichen in der Extremadura.

Ja! Seit über dreissig Jahren weiss man, dass der Drehverschluss ausgezeichnete Resultate bringt. Er ist dicht, die Weine reifen vielleicht eine Spur langsamer, aber man kann eine Flasche nach der anderen öffnen und sie sind gleich. Abgesehen davon ist es praktisch und wenn man eine Flasche nicht austrinkt, macht man sie einfach wieder zu und stellt sie in den Kühlschrank zurück.

Ebenso der Kronkork. Champagnerproduzenten verwenden ihn über Jahre, um die Weine in der Flasche reifen zu lassen. Inzwischen gibt es wunderbare Edelstahl-Versionen. Schon vor mehr als 15 Jahren meinte ein älterer Winzer, dass das eigentlich die beste Verschlussart wäre und er nicht verstünde, "warum die Leut ein Stückl schimplerte Rinde" bevorzugen würden. Warum mögen Sie ihn beim Bier – und beim Wein nicht?

Und der Glasverschluss.

Relativ neu: Der Glasverschluss. Nun so neu eigentlich nicht, denn schon lange vor dem Kork gab es kunstvoll geschliffen Karaffen mit einem Glasverschluss, vielleicht kennen Sie sowas ja noch aus Grossmutters Vitrine oder aus der Apotheke. Neu ist nur, dass diese Glaspfropfen heute nicht "Schliffstoppel" sind, sondern mit einer kleinen Dichtung versehen in der Flasche einrasten. Mit einem sanften "Klick" kann man diese öffnen. Damit das Ganze auch am Transport hält (und um die amtliche Prüfnummer anbringen zu können), gibt es - wie beim Kork - eine Kapsel drüber.

Allerdings geben Fachleute weltweit diesem Verschluss wenig Zukunfts-Chance, da er erklärungsbedürftig ist und man sich vor einem Prozess fürchtet, falls tatsächlich jemand einmal klagt, da er (angeblich) einen Glas-Splitter mitgetrunken habe. Und ein Einkaufsleiter erklärt: „Es gibt einfach jede Menge Kunden, die nicht genau schauen, die stechen einfach mit dem Korkenzieher durch die Kapsel und ziehen den Korken durch. Bei der Kapsel über dem Glas rutschen die ab und stechen sich in die Hand!“ Nein, nicht die Plastik-Dichtung ist das Problem.

Die einstmals hochgelobten Kunststoff-Verschlüsse haben ihre Bewährungsprobe nicht bestanden und sollten nur für rasch zu trinkende Weine verwendet werden, nach spätestens zwei Jahren werden die Weine flach und schal, meist, weil die Pfropfen undicht werden. Speziell, wenn sie bei Transport oder Lagerung Temperatur-Schwankungen ausgesetzt werden.

Die neueste Variante sind die "DIAM" - Korken, die aus gereinigtem Krokgranulat gepresst werden - und mit denen recht gute Resultate erzielt wurden.

Über die Alternativ-Verschlüsse gibt es jede Menge Abhandlungen, man muss nur googlen, eine der besten ist das Buch "Screwed for Good" von Tyson Stelzer", Näheres über die Links.

Für Peter Gago, den Chef-Önologen von Penfolds, der seit Jahrzehnten mit verschiedensten Verschlüssen seine Experimente gemacht hat, sind all diese aber schon „von Gestern“, bei Penfolds experimentiert man bereits mit der nächsten Generation, mit Flaschen, die mit Glas verschmolzen werden.

Ich jedenfalls freue mich schon auf eine Zeit, wo ich Weine ohne ein Gerät, das mir sowieso am Flughafen weggenommen wird, öffnen kann und vor allem darauf, mich auf meine Liebste zu konzentrieren...

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